Direkt vor meinem Schlafzimmerfenster steht ein zwei Meter hoher Busch. Nichts Aufregendes und weil ich kein Botaniker bin, kann ich auch nicht mehr dazu sagen als “Da steht ein Busch”. Neulich komme ich nach Hause – es ist ca. kurz nach Vier und schon dunkler als im Darkroom – und irgendetwas ist anders. In den Ästen hängt jetzt eine Lichterkette – muss der Hausmeister gewesen sein – und funkelt fröhlich vor sich hin. Na, schau her. Ich spüre, wie sich kleinlaut mein innerer Weihnachtswichtel meldet und mir zaghaft mit einer kleinen behandschuhten Hand zuwinkt. Ich winke, leicht irritiert, zurück und gehe etwas peinlich berührt ins Haus. Das war awkward.
Als die kleinen Lämpchen gegen 02:53 Uhr immer noch leuchten und in mein 8qm-Schlafzimmer strahlen wie Fukushima nach der Kernschmelze (Nein, ich besitze keine Jalousien und ja, das ist sehr dumm), setze ich den Wichtel wütend vor die Tür. Mit hängendem Kopf blickt er mir durch das Fenster in der Haustür nach, als ich wieder in meine Wohnung stapfe. Stöhnend falle ich zurück ins Bett. Last Christmas von Wham! ab 01. November, akzeptabel, Lebkuchen beinahe seit August, fragwürdig, aber marktwirtschaftlich muss das wohl so sein. Auch die proportional steigende Zahl Glühwein-Leichen nehme ich hin, auch wenn ich es eigentlich schon irgendwie doof finde, wenn mir auf dem Weg zum Fahrrad ein sternhagelvoller Mitvierziger vor die Schuhe kotzt.
Aber Schlafentzug? Ernsthaft? Das geht gar nicht. Wir sind hier ja nicht bei der Stasi. Murrend werfe ich mich von links nach rechts und drücke mir entnervt das Kissen aufs Gesicht. Ich bin drauf und dran mir entweder ein Wut-Zelt in die Zimmerecke zu bauen und mich für den Rest der Nacht darin zu verschanzen oder mit der Nagelschere ernsthaften Vandalismus an der Verkabelung zu betreiben (ich tendiere zu Letzterem), als ein immer wiederkehrendes “Donk…!” meine Aufmerksamkeit zum Fenster lenkt.
Ich glaub, mein Rentier bohnert. Im hellen Schein der Lichterkette klatschen zuckrige kleine Plätzchen gegen das Glas und zerkrümeln leise über der Fensterbank. Ich springe auf – da steht er, dieser dreiste kleine Weihnachtswicht, unter den Lichtern des Wanna-be Christbaums und schmeißt mit Weihnachtsgebäck gegen meine Scheibe als wären wir hier in der neusten Romantikschnulze mit Hugh Grant.
Das Fenster sieht aus wie Sau.
“Wer soll das denn putzen?!”, brülle ich und reiße es schnaubend auf. Der Weihnachtswicht zuckt mit den Schultern, guckt mich an und wirft mir kommentarlos ein Plätzchen ins Gesicht. Ich sage nichts und wische mir Puderzucker von der Wange.
Soll wohl heißen Friss oder stirb. Schlafen werde ich heute wohl nicht mehr. Ich seufze, “Na gut, komm wieder rein”, und strecke dem Weihnachtswichtel die Hand entgegen. Mit freudig hüpfender Bommelmütze kraxelt der kleine Kerl meinen Arm hinauf und wir schließen das Fenster wieder. Dann zaubert er von irgendwo zwei weitere Plätzchen hervor, eins für ihn, eins für mich.
Zusammen knuspern wir im Licht unseres Weihnachtsbusches – und fast, ganz fast könnte man meinen, statt weißem Puderzucker bedecke zarter Schnee die Scheiben meines Fensters…
Ziemlich hartnäckig, dieses Weihnachten. Aber irgendwie habe ich es ja doch ganz gerne…