Hotel Rathaus, Wildemann

„Die kochen anders! Geh da mal hin“!

So wurden mir die Jungs in Wildemann in meinem Hotel in Hahnenklee empfohlen. Und meine Fahrt vom Hotel in Claustal-Zellerfeld ins Zwergstädtchen Wildemann hatte sich gelohnt. - Kurz bergab, und dann rechts, immer am schlängeligen Weg der Innerste entlang, bis zum kleinsten der ehemaligen 7 Bergstädte des Oberharzes. Direkt an der Hauptstrasse liegt das „Hotel Rathaus“. (Eine Hauptstrasse die so belebt ist, dass man lange Zeit des Tages auf ihr Fussballspielen könnte) . - Es war allerdings schon kein Rathaus mehr, als die Familie Geinitz 2015 das Haus kaufte und damit auch die bisherige Gastronomie übernahm. Damals war es allerdings die Art von Küche, für die man nicht in den Harz fahren würde. Eine Küche die allen Vorurteilen gerecht wird, wenn man den Harz der Küche wegen bisher vermiden hatte. - Aber das ist nun anders! Der Harz und deren Umland macht sich auf, das verstaubte Image loszuwerden! Die Dörfer werden restauriert, die Strassen saniert und die Wälder mit großem Aufwand aufgeforstet. Mountainbike-Tracks durchziehen die Wälder, selbst ehemalige Bergwerke können mit dem Bike befahren werden. Und wer nicht Mounti fahren will, geht zu Fuss. -In jedem Fall muss man nach soviel Natur auch gut Essen gehen können. - Aber was ist gut? - In der Nähe kann auch der Leistungsesser satt werden. - zB mit Schnitzeln von über 500gr, und Burger mit 35cm Durchmesser. Aber ist das gut? - lecker? Oder zeitgemäß, wenn es beim Essen nur um viel und günstig geht?

Ich schweife ab.

- Denn im Rathaus Wildemann werde ich Zeuge von dem was an positiver Überraschung möglich ist. - Die Einrichtung ist modern, in Farben und Material so passend wie ein junges Reh im Wald. - Die Bedienung, meist Maria Geinitz selbst, höchst professionell und freundlich. - Und das Essen überrascht mich immer wieder. - Ich war nun schon einige Male dort, und denke mir, dass es vielleicht daran liegt, dass die alle hier so furchtbar nett sind, ich mich so wohl fühle und ich die Familie inzwischen auch ein wenig kennengelernt habe. - Alle 2 Monate tauschen sie ihre Karte in der Regel komplett aus. - Und beeindrucken mich immer wieder.! Die zwei Köche, Matthias Geinitz und sein Schwager Sven Vondran haben ihre Erfahrungen in zahlreichen Stationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gesammelt und leben hier mit voller Leidenschaft ihre Talente aus. Visuell könnten sie mit dunklem Anzug und Headset und Körpergrößen von um die 1.90 m auch gut als Türsteher durchgehen. Aber sie gestalten auf liebevolle und beindruckende Weise, Kompositionen von Aromen und Strukturen,- kreiren ihre Gänge mit getrocknete Blütenblättern und Kräutern aus eigenem Anbau, verarbeiten Bärlauch und Pilze, die sie selbst im Wald geerntet haben und ziehen bei Bedarf auch einem harzer Muflon das Fell über die Ohren. Sie experimentieren mit in Asche fermentiertem Wildschweinfleisch, und Sven entwirft dank seiner Erfahrung des Patessiers wunderbare Marmeladen und kreiert immer neue Eissorten wie Himbeer-Balsamicosorbet, Ananas-Lakritz oder Aprikose-Lavendel. Wer bisher keine Grund gefunden hat in den Harz zu fahren, sollte hier einen Tisch reservieren.- Denn diese Küche ist bereits die Reise wert. Und am besten dann auch gleich die Übernachtung dazu buchen! Dann können auch alle abends den passenden Wein testen und sich morgens bei einer Wanderung von der Schönheit der Berge ringsherum überzeugen lassen. -

Als ich im Oktober wieder dort war, laß ich Maultaschen auf der Karte (heissen hier aber Kulturbeutel! ) Ich liebe Maultaschen, daher musste es sein. - (Noten von Kerbel, Salbei noch was anderes, was ich nicht kenne und Frühlingszwiebeln im Championsüppchen) Es breitet sich in meinem Magen eine wohlige Wärme aus. Ist es Liebe? Es sind auf jeden Fall Endorphine die mich dies hier schreiben lassen.

Ich bin noch am Tippen dieser Zeilen in mein Handy, da erwartet mich der nächste Gang…

All in: vielleicht ist es der Sauvignon dass ich grad durchdreh´

- Aber sicher ist dieser BBQ Schweinebauch auch Schuld! - ganz mürbe und zart, mit Rauch Aromen.. - Und die kleinen Akzente drumherum, aus Kräutern, rote Bete Mousse, Aal und einer Zitronen-Senf-Majo, die ich mal versuche zu kopieren. Warum ist die so kräftig in der Struktur? Fast wie Butter.- Und dann dieses saubere, reine und starke Zitronenaroma! Moment, ich spüre noch nach, trinke noch einen Schluck Wein - Neee- bleibt toll !!! ;-)

Kopf oder Zahl? - Also den Kopf hatte ich für Spinat gehalten - (War aber eine Kopfsalatcreme) und damit startete eine abwechslungsreiche Reise der Forelle im Meer von Aromen wie geräuchertem Salat, gegrillter Wassermelone, Weißweinschaum und Kräutern die ich nicht erkannte. - Und zum Schluss:

Eisprinz - Die Kaffee-Kugel! - Die rosa Kischkugel! (Harzwälder Kirschtörtchen) mit flüssiger Kirsche gefüllt - Die Jungs sind Künstler.

Punkt

Ich dreh noch ne Runde. - Gehe am Fluss entlang. Das ewige Rauschen, die kleinen Gassen, die kleinen Räume. Ich denke, ich bin in Sölden.